Über Kinder wird in letzter Zeit sooft debattiert, dass einem das Thema beinahe lästig ist, auch wenn man vielleicht zu den betroffenen Eltern zählt. Zu viele Experten, zu viele selbsternannte Pädagogen, zu viele Politiker mischen sich oft voreilig und übereifrig in die Diskussion ein. Jeder weiß genau, wo es lang gehen soll für den Nachwuchs in Deutschland, was für Kinder das Beste ist und wie die Nation in der nächsten Pisa-Runde aufholen kann. Selten wird dabei auf die Bedürfnisse von Kindern eingegangen, und trotzdem scheint der Stoff zum Diskutieren endlos: Es geht um vollgestopfte Lehrpläne, ungesunde Pausenbrote, die besten Sportangebote, profilierte Leistungsziele und allerhand mehr. Wer glaubt, Architektur generell sei von diesen Themen nicht betroffen, der hat in begrenztem Maß sogar Recht: Wenn es um die Neugestaltung konkreter Räume für Kinder geht – Schulen und Krippen, Tagesheime oder Kindergärten –, dann fehlt es in den meisten Fällen schlichtweg am Geld. Gut gemeinte Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse werden bei knappen Kassen obsolet.
Statt großzügiger Räume, für die Gruppenarbeit in kleinen Klassen geeignet, entstehen Schuhschachteln, in denen Kinder zusammengepfercht werden, um ihre Leistung beim nächsten Test mit viel Glück und unter schlechten Voraussetzungen hoffentlich zu steigern. Obwohl nicht alle Beispiele Anlass dazu geben, kann trotzdem leicht sarkastisch werden, wer angesichts der derzeitigen Situation über aktuelle Architektur für Kinder nachdenkt. In der Praxis zeichnet sich eine unüberwindbare Kluft ab, die die öffentliche Debatte von der Realität trennt, mit der Kinder täglich konfrontiert sind. Gleichzeitig lässt sich trotz Expertengremien und institutionalisiertem Meinungsaustausch auf mehreren Ebenen immer noch kein common sense für architektonische Maßstäbe erkennen. Bunte Kugelhäuschen mit Wohlfühl-Kuschelräumen, engagierte Initiativen, die die Kinder beim Bau beteiligen oder der naturbewusste Bauwagen – mit Ökocatering in der Mittagspause? Einen gemeinsamen Nenner für die Planung von Schulen und Kindergärten gibt es nicht. Ideolgien hingegen, wie dieser aussehen könnte, gibt es en masse, und man hat den Eindruck, es würden täglich mehr.
Wir zeigen in dieser Ausgabe einige Beispiele von Räumen aus Japan und aus der Westschweiz, die für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich ausfallen und zum Nachdenken anregen sollen. Schade, dass wir nicht in diesen Ländern leben, werden Sie nach der Lektüre dieser Seiten sagen. Doch was nicht ist, kann auch hierzulande noch werden. Insofern lohnt es sich, über die Gestaltung von Architektur für Kinder, über kindische und kindliche Formen und Funktionszuweisungen nachzudenken. Sicher zeigt sich der Erfolg dabei nicht auf der Stelle, aber kommende Generationen können von solchen Überlegungen profitieren.
Text: Sandra Hofmeister