Palais neben Basar
Foto: Palais Mai

Obst und Gemüse, in Kisten aufs Trottoir gestapelt, verwandeln die Goethestraße in eine Art lebendigen Bazar. Auf den Plastikstühlen der Kaffeehäuser sitzen Menschen ins Gespräch vertieft, nippen an kleinen Teegläsern. Mitten in diesem lebendigen Kiez nahe des Münchner Hauptbahnhofs haben die Architekten von Palais Mai ihre Arbeitsräume eingerichtet.
Gegründet haben sie ihr Büro vor sechs Jahren am Tag der Arbeit. Nun sind Palais Mai sicher keine Revolutionsarchitekten. Doch auch eine simple „nomen est omen“-Logik greift bei ihnen zu kurz. Statt des rein repräsentativen Anspruchs von Architektur wollen sie immer die vielschichtige gesellschaftliche Relevanz der Disziplin im Blick behalten. So verzichten die drei Partner Ina-Maria Schmidbauer, Patrick von Ridder und Peter Scheller auf den Zusatz „Architekten“. „Das sind wir sowieso“, meinen sie selbstbewusst. Statt den Blick auf Gebäude einzuschränken, möchte das Trio ihn auch auf die Bereiche jenseits konkreter Bauaufgaben öffnen und Diskussionen anstoßen.
Gleich eines ihrer ersten Projekte, der temporäre Franz Marc-Pavillon und später sein Kandinski-Pendant, hat Palais Mai bekannt gemacht und dem Lenbachhaus für die Dauer der beiden Ausstellungen ein prägnantes, nicht unumstrittenes Gesicht gegeben. In den letzten Jahren konzipierte das mittlerweile achtköpfige Team Schulen und Einfamilienhäuser, Sanierungen, atmosphärische Interieurs wie das Café Reitschule am Englischen Garten. In der Reitschule spürt man ein wenig jenen Geist, der auch den Namen der Architektenkombo begründet. „Wir wollten auf den Münchner Typus des Palais verweisen – großbürgerlich, lässig und städtisch zugleich.“ In München goutiert man diese Heimatverbundenheit offenbar. Das vielseitige Team wurde kürzlich mit dem Förderpreis der Stadt München ausgezeichnet und konzentriert sich auf Aufgaben, welche die Qualitäten unkonventioneller gestalterischer Interventionen immer wieder aufs Neue verhandeln. Dabei sprengen ihre lebensnahen Entwürfe oft die Grenzen der jeweiligen Bauaufgabe und beziehen den städtebaulichen Kontext ein. „Es geht uns darum, gemeinsam mit den Bauherren eine starke Idee zu entwickeln,“ erklärt Patrick von Ridder. Meistens ergebe sich mit dieser Methode ein stringentes Konzept wie beim Pfadfinderhaus in Ottobrunn. Außenhülle und Innenraum des komplexen Holztragwerks sind nicht voneinander zu trennen. Transluzente Polycarbonat-Stegplatten umhüllen den kantigen Abenteuer-Unterschlupf im Wald, lassen das Licht in die Innenräume dringen und machen Möbel überflüssig. Peter Scheller ist gelernter Zimmerer, Patrick von Ridder Schreiner. Trotzdem ist es eher dem Kostendruck oder dem Wunsch der Bauherren geschuldet, dass viele Projekte der Architekten Holzsystembauten sind – auch die kürzlich eröffnete Montessori-Schule in Inning am Ammersee. Unter dem großen Giebeldach des Hauses breitet sich ein vielfältiges Raumprogramm aus, das die Bestandsbauten integriert, den umliegenden Straßenraum definiert
und das Dorfzentrum wie nebenbei klar strukturiert.
„Manchmal geht in Planungsprozessen viel an Impuls verloren. Schulneubauten zum Beispiel sind heute typologisch so einheitlich, dass sie austauschbar werden. Für mehr Vielfalt müsste man dringend das Wettbewerbssystem überarbeiten“, merkt Peter Scheller an und gibt sich kämpferisch. Diskussionen mit Bauherren und Genehmigungsbehörden nehmen die Architekten sportlich. Sie vertrauen auf ihre Überzeugungskraft und auf den Austausch von Argumenten, die zu besseren Lösungen führen. Konventionen und Bauaufgaben zu hinterfragen, sehen sie als Voraussetzung ihrer Arbeit an. Bei der Polizeiinspektion 32 in Grünwald führte dies dazu, dass das Gebäude heute, anders als ursprünglich vorgesehen, nicht nur energetisch saniert wurde, sondern durch einen geschickten gestalterischen Eingriff auch noch ungeahnte architektonische Qualitäten offenbart.
„Bauherren müssen gefordert werden“, lautet eine Devise von Palais Mai. Der sanierte Fünfziger-Jahre-Bau in Münchens Nobelvorort heißt seine Besucher mit offener Geste willkommen – und gibt der Polizei ein neues Image. Fensterkästen aus goldeloxiertem Aluminium rhythmisieren die elegante Fassade. Die integrierten Fallmarkisen legen sich über die Stirnseite des Hauses und verbreiten spielerische Poesie. Für eine Polizeiwache mag dies ungewöhnlich oder gar provokativ sein. Doch nach der Sanierung zeigt sich das Gebäude durchaus als repräsentative Adresse – wenn auch auf eine
neu interpretierte Art.

Text: Sandra Hofmeister

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Dr. Sandra Hofmeister

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