Die Bachlor-Studenten der Ecole Cantonale d’Art Lausanne zeigen, wie reduziert, humorvoll und emotional die Objekte am Arbeitsplatz sein können
Wenn der Alltag zur Routine wird, fristen die Dinge des Alltags oft ein graues Dasein als mehr oder weniger stille Helfer der Gewohnheit. Nehmen wir zum Beispiel die Büroarbeit am Schreibtisch: Ganze Legionen solcher stiller Helfer statten ihn als unhinterfragtes, funktionales als Beiwerk aus. Schön sind diese Dinge nicht wirklich, praktikabel sind sie auch nicht immer. Trotzdem sind sie millionenfach verbreitet. Die rot-blaue Plastikbox zum Beispiel, an welcher der Klebstreifen ständig hängen bleibt und das Abreißen zum Härtetest macht. Die Stiftablage, in der nie etwas zu finden ist, der Papierkorb, der sich als unpersönlicher Blech- oder Kunststoffbehälter möglichst irgendwo im Abseits verbirgt.
Die Industriedesign-Studenten der Ecole cantonale d’art de Lausanne haben über solche Objekte der täglichen Schreibtischarbeit nachgedacht und sie in einem Workshop gemeinsam mit Alessi neu interpretiert. Ihre Entwürfe bringen Erstaunliches zu Tage. Sie geben der Dingwelt ein neues, markantes Gesicht und bekennen sich mit Humor zur Reduktion. So sieht der kleine magnetische Kegel „Spettro“ von Matthieu Girel aus wie ein Bilderbuchgeist, der ganze Batterien an Büroklammern in seinem Bauch verschluckt und das mühselige einzelne Einsammeln hinfällig macht. Marie Douels Papierkorb „A4“ wiederum macht sich einen Teil des weggeworfenen Inhalts – nämlich A4-Papier – zu Eigen, nutzt sie als Seitenwände, die in den schlichten Schichtholzsockel gesteckt werden und eine Zylinderform ergeben. Aus dem anonymen, meist versteckten Gegenstand wird ein persönlich gestaltbarer Behälter, der immer neue Gesichter haben kann. Isaure Bouysonnies minimalistisches Mobile „Ora“ hingegen probt sich mit abstrakten Formen: Die reduzierte Uhr schwebt frei im Raum. Die Zeiger und das kreisrunde Ziffernblatt werden dabei zu filigran schwingenden Gestaltungselementen, welche an die Kompositionen Mondrians erinnern.
„Ich bin beeindruckt, mit wie viel Energie und Tiefe die verschiedenen Funktionen untersucht wurden, wie innovativ die Formensprache ist“, sagt Alberto Alessi zu den Ergebnissen des Workshops. Einige Studentenentwürfe sollen nun weiter vertieft und hinsichtlich ihrer industriellen Fertigungsmöglichkeiten geprüft werden. Vielleicht wird so aus einigen Prototypen eine neue Produktfamilie, die schon bald im Laden steht. Einen effizienteren Weg, um Ideen und Inspiration zu sammeln, kann sich wohl kein Unternehmen wünschen.
Neu erfunden wird die Arbeitswelt durch solche Ansätze sicherlich nicht. Doch die stillen Helfer des Alltags können mit diesen Entwürfen aus ihrem grauen Dasein erlöst werden. Man kann sie konsequenter gestalten, präziser in ihren Materialien, zielstrebig in der Anwendung dieser Materialien und persönlicher sowie emotionaler mit Blick auf die Nutzer. So hat Marie Schenker ein einfaches und bis aufs Äußerste reduziertes Objekt entworfen, das die blau-roten Plastikbox für Klebstreifen endlich ablösen könnte. Ihr „Filo“ besteht aus einem kaum fingerdicken Stück Stahldraht, der so in Form gebogen ist, dass er Klebstreifenrollen samt Abreißvorrichtung wie selbstverständlich aufnimmt. Die Arbeit am Schreibtisch – ob zu Hause oder am Arbeitsplatz – wäre gleich ein Stück lebenswerter damit.
Text: Sandra Hofmeister