Einfamilienhaus in Riedikon
von Gramazio & Kohler Architekten
Wenn Fabio Gramazio und Matthias Kohler u?ber digitale Materialität sprechen, kann einem leicht der Atem stocken. Die beiden Züricher Architekten und ETH-Professoren loten die Schnittstellen zwischen Entwurfsmethoden und ihrer digitalen Fabrikation aus, stellen Synthesen zwischen beiden Polen her. Ihre Experimente (siehe auch B9/09, Seite 72) mögen wie verrückte Spielereien wirken, und doch sind sie wesentlich mehr: In ihrem jüngsten realisierten Projekt, einem Wohnhaus in Riedikon, zeigen Gramazio & Kohler die Relevanz ihrer Forschungsergebnisse bei der Planung und konkreten Umsetzung in Architektur. Inmitten des alten Dorferns von Riedikon bei Zuürich fällt das neue Wohnhaus nicht als exaltierte Geste auf. Der asymmetrische Giebel orientiert sich an der Dachform der benachbarten Häuser, vertikale Latten hu?llen die Außenhaut des zweigeschossigen Gebäudes in einen Holzmantel, lassen Assoziationen mit den umliegenden Scheunen zu. Seinen unregelmäßigen fünfeckigen Grundriss sowie sein Volumen erhält der Neubau durch die parametrische Anpassung der Form an den Kontext. Seine Außenkonturen wurde mit Hilfe von zwei geometrischen Operationen festgelegt, die die freie Sicht des Nachbargebäudes auf den Greifensee garantieren und gleichzeitig den Zugang zum Grundstu?ck beru?cksichtigen.
Ein auskragendes Dach faltet sich über die hohen Räume des ersten Stockwerks. Entlang des Dachrands wickelt sich ein durchgängiges Fensterband, das wie der Betonkern von außen weitgehend unsichtbar bleibt hinter den 315 Holzlatten, die senkrecht zur Wandfläche angebracht sind. Ihre Querschnitte sind im Bereich des Fensterbandes so ausgefräst, dass verschiedene, ineinander übergehende Grade der Transparenz erreicht werden. Je nach Lage, Nutzung und Sonneneinstrahlung dienen die Latten als Sicht- und Sonnenschutz, geben von den Innenräumen aus Blicke auf den See frei oder blenden andere Perspektiven absichtlich aus. Mithilfe eines eigens entwickelten Programms konnten die CAD-Daten der Holzverkleidung in den Code für die CNC-Fräse umgewandelt werden.Statt eines High-Tech-Sonnenschutzes griffen die Architekten also auf Holz zuru?ck. Insofern zeigt sich die digitale Fabrikation als sinnvolle Methode, um einfache Materialien in einen komplexen Kontext zu stellen. Bodenständig bleibt das Haus in Riedikon allemal. Trotzdem ist es zukunftsweisend.
Text: Sandra Hofmeister