Media-Tic-Gebäude von Cloud 9 in Barcelona
„Wir atmen durch die Haut. Dieses Haus atmet durch die Fassade“, meint Enric Ruiz-Geli. Dann wirft der katalanische Architekt einen zufriedenen Blick auf die transluzenten ETFE-Kissen, die sich hinter ihm aufplustern. Vor zwei Jahren hatte der Gründer des Büros „Cloud 9“ – im Deutschen bedeutet dieser poetische Name „Wolke 7“ – gemeinsam mit dem Soziologen und Ökonomen Jeremy Rifkins einen „Green New Deal“ gefordert. Mit dem Media-Tic Gebäude in Barcelona kommt Ruiz-Geli den Eckpfeilern dieses Manifests recht nahe: Der prototypische Bau im Medienbezirk 22@ Barcelona nutzt neue Technologien und Innovationen der Materialkunde für den schonenden Umgang mit Ressourcen. „Gebäude sind für 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich“, sagt Ruiz-Geli. Es lässt keinen Zweifel daran, dass die Rettung der Welt von Architekten und Stadtplanern ausgehen muss.
Der warme Meereswind streicht vom Süden her über die Terrasse; aus der 600 m2 großen Büroetage im 8. Stock fällt der Blick auf die nahe gelegene Küste. Das Media-Tic-Gebäude ist als Stahlkonstruktion errichtet, deren Rahmen mit riesigen Kränen aufgestellt wurde. Hinter der gläsernen Südost-Fassade des Hauses breitet sich ein clusterartiges Relief aus ETFE-Kissen aus. Bei Sonneneinstrahlung blähen sich die beiden Luftkammern der Kissen auf, so dass das metallbeschichtete, Licht abweisende Muster der äußeren Folien übereinander liegt und die Innenräume vor Hitze geschützt sind. Im Südwesten reichen ETFE-Kissen in schmalen Streifen bis in den 8. Stock. Ein pneumatischer Mechanismus mit Lichtsensoren reguliert die Stickstoffmenge, die bei Sonneneinstrahlung in den Zwischenraum der Kammern eingelassen wird und sich wie diffuser Nebel ausbreitet. „Digital Pedreda“ nennt Ruiz-Geli seinen Entwurf in Anspielung auf Barcelonas berühmtes „La Pedrera“-Haus von Antonio Gaudi. Mit seinen performativen Qualitäten richtet sich das Media-Tic-Gebäude am Menschen aus. Etwa 20% Energieersparnis berechneten die Architekten für die Fassade aus insgesamt 2.500 Quadratmeter ETFE-Folie – die pneumatischen Kissen wurden als Patente angemeldet. Doch das ist nicht alles: Gekühlt werden die Büros und öffentlichen Flächen mithilfe einer Erdsonde, auf dem Dach befinden sich Photovoltaik-Anlagen, und zur Gebäudebeleuchtung wurden sämtliche Stahlelemente mit fluoreszierenden grünen Mineralpigmenten gestrichen, das tragende Skelett des Hauses nachts zum Leuchten bringen.
Der ungewöhnliche Würfel bildet den städtebaulichen Auftakt für die Revitalisierung des früheren Industriegebiets Poble Nou. Bald schon werden kommunale Fortbildungseinrichtungen, eine Hochschule und verschiedene Medien- und Kommunikationsunternehmen in das 21 Millionen Euro teure Gebäude einziehen. Energieautark – oder gar Energie gewinnend, wie in der Vision des „Green New Deal“ gefordert, ist der digitale Medienwürfel nicht. Doch er stellt neue Maßstäbe für eine ökoeffiziente Architektur der Zukunft auf.
Text: Sandra Hofmeister