Bella figura trägt Grau: Die italienischen Möblemacher durchleben schwere Zeiten. Die große Designnation traut ihren Ideen nicht mehr und setzt auf Uniformität
Und das soll Italien sein!? Wer im April zu Gast auf der wichtigsten Design-Messe der Welt war, der Möbelwoche in Mailand, kam sich mitunter wie in einem anderen Land vor: Statt Möbeln, die aus der Reihe fallen, sah man eine Parade von grauen Garnituren, so abwechslungsreich wie Plattenbau. Die grauen Herren aus dem Kinderroman „Momo“ hatten sich in Sofas verwandelt. „Michel“ hieß eines von ihnen. „Michel“ könnte immer schon da gewesen sein. Mit Kissen und bequemen Polstern breitete sich das Sofa aus, ohne Aufsehen zu erregen. Dank Stoffbezügen in Grau, Beige oder Greige (einer Mischung aus, nun ja, Grau und Beige) passte es sich seiner Umgebung an. Ausgedacht hat sich das Sofasystem der italienische Designer Antonio Citterio. „Michel“ will nicht neuartig wirken, sondern ein Instant-Klassiker sein. Sein Name spielt an die Möbelkreationen von Jean-Michel Frank aus den 30er Jahren an.
Der Blick zurück in die Vergangenheit hat derzeit in der Möbelbranche Konjunktur. „Unglaublich wie viele Le Corbusier-Varianten noch ‚ausgegraben’ werden“, kommentiert das Stuttgarter Möbelhaus Fleiner in seinem Messebericht die neuen Satinbezüge des Grand-Comforts-Sessels, den der Architekt Le Corbusier bereit 1929 vorgestellt hatte. Besonders in Italien mangelt es in Zeiten der Wirtschaftskrise an Mitteln und an Mut für Investitionen und neue Ideen. 2011 sank der Gesamtumsatz der italienischen Möbelbranche um 4,8 Prozent. Auch die Kaufkraft des Landes schrumpft deutlich: im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent. Die Firmen verzichten deshalb auf Experimente....
Text: Sandra Hofmeister