Geschichten aus dem Depot
Ein Blick ins Kunstgewerbemuseum Dresden
Mit einer ungewöhnlichen Auswahl an Exponaten gelingt es dem Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen Dresden, einen anderen Blick auf die Geschichte seiner Sammlung zu werfen und Einzelstücke zum Leuchten zu bringen. Hoch oben in der Stirnwand des grossen Saals öffnet sich eine Türe und gibt den Blick auf einen Spiegel frei. Doch ohne Rahmen und ohne angrenzenden Raum bleibt das Türblatt trotz seinen reichen Schnitzereien ein isoliertes Fragment – und genau als solches wird es in der Kunsthalle im Dresdner Lipsiusbau präsentiert. Seit der Grüdung des Museums ist das hölzerne Unikat in dessen Sammlung – es sollte den Studenten der Kunstgewerbeschule als Anschauungsmaterial dienen. Bis heute sind die Datierung und der ursprüngliche räumliche Kontext der Türe im Dunkeln. Die Ausstellung «Die Teile des Ganzen» zeigt einzelne, recht unterschiedliche Objekte aus der Sammlung des Kunstgewerbemuseums. Nicht Wert oder Schönheit waren für die Auswahl der Kuratorin Tulga Beyerle entscheidend. Vielmehr entschied sie sich für Gegenstände, deren Geschichten Aufschluss über die gesamte, mehr als 55 000 Inventarnummern umfassende Sammlung geben. Systematisch nach Themenbereichen präsentiert, decken die völlig unterschiedlichen 350 Ausstellungsstücke zuweilen überraschende Zusammenhänge auf: «Zerlegbar» beispielsweise – so der Titel eines der Abschnitte – ist nicht nur der massive, riesige Barockschrank oder die «Montagewand Deutsche Werkstätten», ein beliebtes Systemmöbel fürs Wohnzimmer, das seit den 1960er Jahren in der DDR produziert wurde. Auch der filigrane Deckelpokal aus der Dresdner Glashütte lässt sich durch gläserne Gewinde an Schaft und Deckelknauf zerlegen – nur so konnten die Glasschleifer im Auftrag August des Starken das Schliffdekor anbringen. Manche der Exponate, beispielsweise die Karakami- Holzdruckpapiere aus Japan, waren noch niemals ausgestellt und schlummern seit über hundert Jahren im Depot des Museums. «Man muss die Objekte ins rechte Licht rücken, damit sie zu leuchten anfangen», meint Museumsdirektorin Tulga Beyerle. Vorbildhaft zeigt ihre Ausstellung die Fülle der Sammlung anhand ungewöhnlicher Einzelstücke, sie reflektiert deren Geschichten und gleichzeitig die gesamte Sammlungsgeschichte. Durch den kritischen Blick ins Depot wird letztlich eine Objektkultur vermittelt, die für Überraschungen sorgt und erfrischend anders ist.
Text: Sandra Hofmeister