Der Berliner Filmemacher Heinz Emigholz lässt Gebäude und Räume in seinen Architekturdokumentationen für sich selbst sprechen. Er entlässt die Ikonen der Moderne aus ihrem Idealzustand und archiviert sie in nüchternen Bildern, die das Hier und Jetzt des 21. Jahrhunderts zeigen.
Wien im ersten Bezirk an einem Tag im März 2006: Fußgänger schlendern über den Michaelerplatz, vorbei am prächtigen Marmorportal der Raiffeisenbank. Die seitliche Fassade des weißen Gebäudes ist von einem Gestrüpp aus Verkehrsschildern verdeckt, von Ferne ist das Hufgeklapper eines Fiakers zu hören.
In „Loos Ornamental“ zeigt Heinz Emigholz 27 Gebäude und Denkmäler, Laden- und Wohneinrichtungen von Adolf Loos (1870-1933) im Kinoformat. Auch das berühmte ehemalige Wohn- und Geschäftshaus des Herrenausstatters Goldmann & Salatsch gegenüber der Kaiserlichen Hofburg am Michaelerplatz ist in dem Dokumentarfilm zu sehen. Vieles ließe sich über dieses architektonische Meisterwerk der Moderne sagen; zur Bauzeit wurde es von den Wienern als „Mistkiste“ beschimpft, heute gilt das Haus als architektonisches Manifest des berühmten Aufsatzes „Ornament und Verbrechen“, in dem Loos vor 100 Jahren gegen den Zierrat des floralen Jugendstils polemisierte. Doch Emigholz verzichtet auf Hintergrundinformationen und Off-Kommentare. Er lässt Räume für sich selbst sprechen, in starren Kameraeinstellungen und nüchternen Bildern, die bis zu sieben Sekunden stehen bleiben und sich in harten Schnitten zu filmischen Kompositionen fügen. Einziger Ton sind atmosphärische Hintergrundgeräusche wie der Motorenlärm eines vorbeifahrenden Autos und das Surren der Klimaanlage......
Text: Sandra Hofmeister