Big Bang aus Dänemark
 

Auf dem Weg nach Utopia: Im Eiltempo erobert die dänische Architektengruppe BIG um Bjarke Ingels derzeit die Welt – mit unorthodoxen ideen mixt sie tradierte Elemente und entwirft dabei spektakulär Neues.

Sich mit Bjarke Ingels über Architektur zu unterhalten, ist wie Achterbahn Fahren. In schnellem Tempo dreht der junge Däne steile Kurven, demonstriert rasante Thesen an Modellen und lässt sein Gegenüber während der gesamten Berg- und Talfahrt nicht aus den Augen, um die Wirkung seiner sprachlichen Manöver zu studieren. Hin und wieder holt er Luft, drosselt die Geschwindigkeit, nimmt Schwung für den nächsten Looping. Die Pony-Haare stehen dem Shootingstar der internationalen Architekturszene vom Kopf wie einem Skater nach einer waghalsigen Drehung. Er hätte gut den Troll aus einem Andersen-Märchen abgegeben und ginge auch als kleiner Bär durch, wie die nordische Wurzel seines Vornamens „Bjarke“ sogar bestätigt.

Gerade ist Bjarke Ingels 35 Jahre alt geworden und hat Harvard gegen eine neue Professur an der Columbia University in New York ausgetauscht. Seine berufliche Karriere steht noch am Anfang, doch seine Ideen sind so groß, dass sie mittlerweile auch in Aserbeidschan und Griechenland bekannt sind. BIG nennt sich die Kopenhagener Architektengruppe, die sich um Bjarke Ingels versammelt hat und im letzten Jahr einen internationalen Wettbewerb nach dem anderen gewonnen hat. Hinter den selbstbewussten Majuskeln verbirgt sich eine unorthodoxe Haltung, die statt der Revolution die Evolution für sich beansprucht und für komplexe Thesen gerne auch Symbole oder Abkürzungen zu Hilfe nimmt: Mit möglichst wenig Zeichen soviel wie möglich sagen. So ist „BIG“ auch der Name für die Bjarke Ingels Group. Etwa 60 junge Mitarbeiter aus insgesamt 17 Ländern arbeiten im Büro in der Nørrebrogade, und an diesem Sommerabend treffen sie sich in der zentralen Küche, um zwei Kollegen mit einer Dose Tuborg-Bier zu verabschieden. Ein sympathisches Kollektiv, das den Tag mit einer Happy Hour ausklingen lässt.

Vieles, was derzeit in der Loftetage im kleinen Dänischen Königreich ausgetüftelt wird, entspricht dem Namen BIG: Die Architekten planen unter anderem die Nationalbibliothek von Kasachstan, den dänischen Pavillon für die Expo in Shanghai, eine energieautarke Insel in der Bucht von Baku und das Tamayo-Museum in Mexico-City. „Reiner Zufall, dass wir im Moment keine kleineren Projekte haben“, meint Bjarke Ingels. „Thinking big hat nichts mit dem Maßstab von Bauaufgaben zu tun, sondern mit der Kraft einer Idee.“ Ursprünglich wollte Ingels Comic-Zeichner werden – doch während seines Architekturstudiums, das er aus Verlegenheit begonnen hatte, kam er auf den Geschmack, gebaute Geschichten zu erzählen. Er gibt sich dabei rundherum frei von Ideologien und Generationenkämpfen: „Wir haben uns nie als angry young men gesehen, die gegen das Establishment kämpfen. Oft ist das Radikale an unseren Entwürfen, dass wir alle glücklich machen wollen.“ Keine Revolution also, keine Dogmatik und selbst die dialektische Gräben zwischen Expression und Funktion, Ökonomie und Ökologie sind bedeutungslos. Stattdessen entwirft BIG nach dem ungestümen Motto „Yes is more“ und schlägt dazu das Verfahren einer „architektonischen Alchemie“ vor: „Ich mag die Idee, traditionelle Zutaten so zu mischen, dass Gold entsteht“, meint Bjarke Ingels. Form follows function hat in seinen Augen ausgedient, nicht aber eine große Utopie. Wenn Architektur eine Form der Evolution ist, entstehe die beste Architektur nicht als Diktum gegen etwas, sondern in einem gemeinsamen Prozess für etwas Neues, meint der Architekt. Ein Prozess, an dem Architekten, Bauherren, Immobilienunternehmen, Nutzer und viele andere beteiligt seien. Der Pragmatismus dieser Haltung beschreibt keinen einfachen Weg für große Bauvorhaben, doch nicht umsonst ist Bjarke Ingels auch ein virtuoses Kommunikationstalent.

Ein wohnliches Bergpanorama mit Blick auf den Øresund, ein beliebtes Freibad, das sich samt Sprungturm in das Hafenbecken im Zentrum Kopenhagens schiebt, und ein Jugendclub, dessen Dachterrasse als Half Pipe genutzt wird: Die Liste der realisierten Projekte, die Bjarke Ingels Handschrift zeigen und teilweise noch in der früheren Bürogemeinschaft mit Julien de Smedt entstanden sind, ist bislang überschaubar, doch längst international gefeiert. In fließenden Bewegungen wölbt sich das Maritime Youth House am Øresund wie eine Düne zu Terrassen, Hügeln und Räumen. Statt das verunreinigte Erdreich bei der Fundamentlegung auswechseln zu lassen, nutzten die Architekten das knappe Budget für eine durchgängige Holzplattform, die sie über die Wiese an der Uferkante legten. Die Planungsbedingungen haben auch dem VM-Haus in Ørestad, außerhalb der Innenstadt Kopenhagens, seine pittoreske Form gegeben: Der Wohnblock ist nicht als monolithischer Kubus mit dunklen Schlafgelegenheiten angelegt, sondern besteht aus zwei Glas- und Aluminium-verkleideten Häusern mit optimalem Lichteinfall, deren Grundriss die Buchstaben V und M umzirkelt. Wie ein dreidimensionales Tetri-Spiel sind die 80 verschiedenen Wohnungstypen der insgesamt 240 Einheiten übereinander gestapelt. Nach Süden öffnen sie sich in spitzen Dreiecksbalkonen, die sich gegenseitig nicht verschatten – eine Kosten sparende Konstruktion, die mit nur einem Stahlträger auskommt und für ein rauschendes Titanic-Gefühl sorgt: Wer in der Spitze des Dreiecks steht und auf das Meer blickt, der muss sich auch ohne ausgestreckte Arme wie Leonardo di Caprio und Kate Winslet in der berühmten Filmszene auf dem Schiffsbug vorkommen. „Die treibende Kraft unserer Arbeit ist kein schwieriges griechisches Fremdwort“, beteuert Bjarke Ingels, der bis vor kurzem selbst im VM-Haus gewohnt hat. „Wir versuchen, einfache Qualitäten umzusetzen und Gegensätze zusammenzuführen. Das ist eigentlich recht banal.“....

Text: Sandra Hofmeister

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Dr. Sandra Hofmeister

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