Früchte einer Freundschaft

 

Seit 50 Jahren prägt B&B Italia das italienische Design. Und seit mehr als vier Jahrzehnten prägt Antonio Citterio die Kollektionen des Mailänder Möbel-Unternehmens mit seinen eleganten Entwürfen, von denen viele längst Klassiker sind. Was also lag näher für uns, als den A&W-Designer des Jahres 2002 zum Gespräch über diese außergewöhnliche und fruchtbare Zusammenarbeit zu bitten?

Antonio Citterio ist ein Meister der Gelassenheit. Obwohl es proppevoll ist im Showroom des Einrichtungsbüros Designfunktion in München, schlendert er von einem Möbel zum anderen, streicht hier über einen Bezug, erklärt da ein Detail. „Genau so steht das Sofa auch bei mir zu Hause“, sagt er beim Anblick von „Charles“, dessen Design auch nach 19 Jahren noch zeitlos schön erscheint. „Ich habe es eigentlich für mich entworfen.“ Giorgio Busnelli, Direktor von B&B und Sohn des 2014 verstorbenen Firmengründers, lacht und lässt sich ins Polster fallen. So viel ist klar: Die Chemie zwischen den beiden stimmt. Und das seit vielen Jahren.

A&W: Herr Citterio, Sie arbeiten seit mehr als vier Jahrzehnten mit B&B Italia zusammen …
Antonio Citterio: Genau genommen seit 1973. Damals war ich noch sehr jung!

A&W: Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit dem Firmengründer Piero Ambrogio Busnelli?
A. C.: Oh ja, sehr gut! Piero fragte mich nach meinem Beruf, und ich sagte, dass ich ein eigenes Architekturbüro habe und auch als Designer arbeite. Darauf erwiderte er in typischem Mailänder Dialekt, wie es dann möglich sei, dass er mich nicht kenne – und lud mich ein, ihn zu besuchen. So hat unsere Zusammenarbeit begonnen.

A&W: Anfang der 1970er-Jahre waren Sie noch Student und hatten schon ein eigenes Studio?
A. C.: Ich habe mein Studio im Juni 1970 eröffnet – damals war ich 20 Jahre alt und habe Architektur studiert. Die Designschule des Istituto d’Arte hatte ich aber schon abgeschlossen.

A&W: Mit den Jahren wurden Sie und Piero Ambrogio Busnelli Freunde. Was haben Sie an ihm am meisten geschätzt?
A. C.: Seine Intuition hat nicht nur mich, sondern alle verzaubert. Er konnte Zusammenhänge so schnell erkennen, dass vieles gar nicht erst erklärt werden musste. Piero war zudem sehr neugierig, er wollte immer alles wissen, auch die Details. Für einen Unternehmer im Möbelbereich ist diese Neugierde sehr wichtig, weil letztlich nichts voraussehbar ist. Neugierig wie er war, konnte Piero auch seine Perspektive ändern. Und das wiederum hat ihn zu einem Ausnahmeunternehmer im Designbereich gemacht.

A&W: Seit der Gründung war man bei B&B Italia darauf bedacht, die Produktionsmethoden zu revolutionieren. Was halten Sie von diesem Vorsatz?
A. C.: Auch das ist eine der maßgeblichen Eingebungen von Piero Busnelli gewesen. Er war ständig auf der Suche nach neuen Herstellungsverfahren und wollte so die Produktion
erneuern. Ende der 1960er hat er Polyurethan eingeführt – ein Material, das es vorher nicht gab in der Sofaproduktion. Neue Technologien und eine eigene Forschungsabteilung waren für B&B Italia immer schon maßgeblich. Ich glaube, dass die Forschung grundsätzlich fundamental ist für das Design. Wir verkürzen den Designbegriff viel zu oft auf ästhetische Fragen. Es geht jedoch eigentlich um ein Gesamtkonzept, in dem die Technologie eine integrale Rolle spielt.

A&W: Ihr erstes Sofa für B&B Italia, „Baia“, haben Sie mit Ihrem damaligen Büropartner Paolo Nava zusammen entworfen. Nur drei Jahre später kam 1979 „Diesis“, Ihr nächstes Sofa, auf den Markt. Wie haben Sie die radikalen 1970er-Jahren erlebt?
A. C.: Ich bin stark geprägt von dieser Ära. Damals kamen erste postmoderne Tendenzen auf. Zugleich entstanden in Mailand Bewegungen wie Alchimia oder Anfang der 1980er Memphis. Sie alle haben die Moderne kritisiert, was für mich auch ein Grund war, mich zu ihr zu bekennen und gerade nicht umzulenken.

A&W: Und trotzdem wirkt Ihr Sofasystem „Sity“ von 1986 aus heutiger Sicht etwas postmodern, oder?
A. C.: Es ging mir bei diesem Entwurf um eine neue Typologie des Polstermöbels. Die Grundidee von „Sity“ war, die veränderten Alltagsgewohnheiten der Menschen auf ein Design zu übertragen, das mit der traditionellen Idee eines Sofas nichts mehr zu tun hat. „Sity“ bestand aus einzelnen Modulen, die beliebig kombiniert werden. Als erstes Sofa überhaupt hatte es auch einen Bereich mit einer verlängerten Sitztiefe, wie bei einer Récamière. Heute ist dies Standard. Ich wollte mit „Sity“ aber schon damals ein Polstermöbel gestalten, das zum Essen, Fernsehen, Lümmeln und für vieles mehr sein konnte.

A&W: Als Designer arbeiten Sie mit vielen Firmen zusammen, was macht Ihre Beziehung zu B&B Italia besonders?
A. C.: Wenn man sich so lang kennt, geht es um mehr als um ein professionelles Verhältnis. Auch Pieros Sohn Giorgio Busnelli und ich sind seit vielen Jahren Freunde. Seit Giorgio Direktor von B&B Italia ist, ist meine Rolle für das Unternehmen auch die eines strategischen Beraters. Es geht nicht nur um einzelne Entwürfe, sondern um eine Vision für die Firma.

A&W: Nun sind 43 Jahre nicht nur eine ziemlich lange Etappe in der Designgeschichte, sondern auch vier Jahrzehnte, in denen sich der Alltag des Wohnens stark geändert hat.
A. C.: Absolut! Manchmal sind wir Designer und Architekten Teil dieser Veränderung der Gewohnheiten, und manchmal antizipieren wir die Evolution der Alltagsobjekte. Ich glaube, Sofas sind in diesem Zusammenhang emblematisch, weil sie als Möbel immer in Beziehung zu etwas stehen. Sie ermöglichen die Beziehung zwischen Menschen, stehen aber auch in Relation zum Raum, der sie umgibt. Das macht die Typologie relevant für Veränderungen, von denen wir schon sehr viele erlebt haben. In den 70ern waren Sofas sehr expressiv, in den 80ern wollte man alles, was man hat, auch zeigen – große Sofas, große Fernseher und Regale. Dann wurden Polstermöbel wieder nüchtern und zurückhaltend. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es heute nicht mehr nur eine Art von Sofa gibt, sondern viele unterschiedliche Typen, die auf verschiedene Wohnsituationen und Lebensentwürfe reagieren.....

 

Interview: Sandra Hofmeister

 

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