Im Museu de Arte de São Paulo

Seit seiner Eröffnung im Jahr 1968 gilt das Museo de Arte de São Paulo (MASP) als Ikone der brasilianischen Architektur. Das brutalistische Gebäude in der Avenida Paulista ist als einfacher Quader konzipiert, der an zwei knallroten Betonbügeln in 8 m Höhe über der Straße aufgehängt ist. Unter dem schwebenden Baukörper breitet sich ein schattiger Platz aus, auf dem regelmäßig Märkte und Veranstaltungen stattfinden.

Lina Bo Bardis Architektur für das MASP ist ebenso radikal wie einfach. In den Materialien beschränkte sich die italienische Architektin (1914 —1992) auf Glas und Beton — ihr war zudem daran gelegen, dass die neuen Räume der Öffentlichkeit dienen und sich mit diesem Selbstverständnis zur Stadt öffnen. Die Ausstellungssäle des Museums, dessen bedeutende Kunstsammlung als private Stiftung organisiert ist, sind an den Längsseiten des Gebäudes komplett verglast und öffnen sich zum historischen Stadtzentrum São Paulos und zur üppigen Regenwaldnatur des benachbarten Stadtparks. Nachdem das MASP in den 1990ern mehrere Jahre geschlossen war und sich die Stiftung neu organisieren musste, ist es nun wieder eröffnet und teils bereits saniert.

Das in die Jahre gekommene Gebäude wird peu à peu technisch ertüchtigt und wieder in seinen ursprünglichen Zustand rückgebaut. In diesem Zusammenhang sind die Aufsteller für die Gemälde der Kunstsammlung ein entscheidender Schritt, der ebenso wie alle sensiblen Interventionen von dem jungen brasilianischen Büro Metro Arquitetos Associados verantwortet wird. Lina Bo Bardi hatte die Aufsteller als unsichtbare Halterungen für die Bilder konzipiert. Deren schwere Holzrahmen sind auf transparenten Glasscheiben angebracht, sodass der Blick der Besucher ungehindert und ohne Störung über die gesamte Ausstellungsfläche wandern kann. »Die Aufsteller sind Teil des architektonischen Konzepts, sie unterstützen die Idee eines fließenden Raums, der in die Stadt übergeht«, so Martin Corullon, Projektleiter von Metro. Insgesamt 120 Werke sind in dem stützenfreien Ausstellungssaal mit 70 ≈ 29 m verteilt, als ob sie in der Luft schweben würden. Vor allem technische und Sicherheitsprobleme hatten dazu geführt, dass die originalen Aufsteller schon länger nicht mehr genutzt wurden. Ihre Rekonstruktion musste die Gemälde
— darunter Werke von Rembrandt und Picasso — vor zunehmenden verkehrsbedingten Vibrationen und Schwingungen schützen. Metro behielt die Materialien Beton, Glas und Holz ebenso wie das Funktionsprinzip der Aufsteller bei und passte ihre Eigenschaften an die heutigen Bedingungen an. Der neue
Betonwürfel — Basis und Halterung der darin verankerten Glasfläche — ist bewehrt und dadurch robuster. An seiner Unterseite gleichen Neoprenbolzen das unterschiedliche Bodenniveau des Ausstellungsraums aus. An seiner Oberseite ist ein Massivholzkeil aus Camaru eingelassen. Ein mittig durchgeführter Gewindebolzen erzeugt den nötigen Anpressdruck, um die Glasfläche zu fixieren. Wo Glas oder Holz den Beton berühren, verhindert eine dünne Neoprenschicht Spannungsspitzen und Glasbruch. Die neuen Aufsteller sind standardisiert auf vier Größen: Der Mittelpunkt der unterschiedlichen Bildformate wurde auf etwa 1,5 m Höhe festgelegt. Dank dieser Vereinfachung können die Aufsteller für verschiedene Gemälde genutzt werden. Die ausgestellten Werke der permanenten, insgesamt 3000 Werke umfassenden Sammlung werden regelmäßig ausgetauscht.

Mit den rekonstruierten und entsprechend dem Originalentwurf dematerialisierten Aufstellern erhält die Ausstellungsarchitektur ihren ursprüglichen Charakter zurück. Mit ihm gab Lina Bo Bardi auch ein mutiges kuratorisches Konzept vor. Anders als in traditionellen Museen ist der Rundgang im MASP nicht vorab auf eine spezielle Route festgelegt, sondern jeder Besucher bestimmt selbst seinen eigenen Parcours durch die Sammlung. Aus der konventionellen linearen Kunstgeschichte wird auf diese Weise ein individuelles und nicht-hierarchisches Narrativ. Und eine Perspektive, die den eurozentrischen Blick auf die Kunst hinter sich lässt und neue Wege einschlägt, wie Adriano Pedrosa, Direktor des MASP, resümiert.

 

Text: Sandra Hofmeister

DETAIL inside, 2/2017

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