Dabei bleiben wir wir selbst

Interview mit Carlo Urbinati von Foscarini

Dass der Gedanke wichtiger ist als die Form, gehört mit zu den Überzeugungen von Carlo Urbinati und Sandro Vecchiato. Vor zwanzig Jahren gründeten die beiden Architekten ein Experimentierlabor auf der Glasbläserinsel Murano bei Venedig. Heute leiten die Gründer und Geschäftsführer von Foscarini ein internationales Lichtunternehmen, dessen Produkte in 2.800 Verkaufsstellen und in 88 Ländern verkauft werden. Foscarini hat sich längst einen eigenen Namen in der Branche gemacht. Deshalb kam die Kooperation mit dem Modelabel Diesel für viele überraschend. Zwei Jahre nach dem Launch der ersten Diesel-Leuchtenkollektion von Foscarini zieht Carlo Urbinati im Gespräch mit Sandra Hofmeister eine Bilanz über seine Erfahrungen mit der Modewelt.

Sandra Hofmeister: Seit zwei Jahren kooperiert Foscarini mit Diesel. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Carlo Urbinati: Zwei so verschiedene Bereiche und Mentalitäten wie Diesel und Foscarini zusammenzuführen, ist ein großes Abenteuer. Das haben wir zunächst nicht gewusst. Bereits der Start war nicht einfach. Als wir die erste Kollektion 2009 präsentiert haben, brach, bedingt durch die Wirtschaftskrise, der Markt ein, deshalb lief am Anfang einiges durcheinander. Doch das gab uns auch die Gelegenheit, die erste Kollektion aus sieben Leuchtenfamilien eingehender zu prüfen. Am meisten hat uns überrascht, dass die Leuchten, die ursprünglich für den Impulskauf entwickelt und konzipiert waren, als eigenständige Produkte anerkannt wurden und eine eigene Verkaufsdynamik entwickelten. Zwei Jahre nach dem Start unserer Kooperation bekommen wir auch vom Markt, der sich inzwischen wieder etwas von der Krise erholt hat, ein gutes Feedback. Unsere Erfahrungen haben wir bei der Entwicklung der aktuellen, dritten Kollektion berücksichtigt.

Inwiefern haben Sie ein neues Publikum entdeckt, das sich von den klassischen Foscarini-Käufern unterscheidet?
Urbinati: Wir sind zwar nicht die direkten Verkäufer, trotzdem haben wir begriffen, dass die Diesel-Kollektion eine ganz andere, jüngere und spontanere Zielgruppe hat. So kommen wir in Kontakt mit neuen Käufern – was die Lebenswelt, den Stil und das Alter betrifft. Wenn wir dieses Publikum erobern, erweitern wir das Spektrum um zusätzliche Käuferschicht, die mit der Zeit auch zu Foscarini-Kunden werden könnte.

In der Zwischenzeit gibt es bereits vierzehn Leuchtenfamilien. Das Design stammt von Diesel – Foscarini ist für die Umsetzung verantwortlich. Wie muss man sich die Zusammenarbeit im Detail vorstellen?
Urbinati: Wir haben das Know-how für die Produktion und die Entwicklung der Leuchten. Ein Konzept zu definieren und es zu realisieren, gehört zu unserer Arbeit. Das ist auch bei der Diesel-Kollektion so. Zwischen dem Konzept und dem Endprodukt gibt es eine Reihe von Arbeitsschritten, die darauf ausgerichtet sind, die Kernaspekte des Konzepts herauszuarbeiten und zu betonen. Alle Modelle der Diesel-Kollektion haben diesen Prozess durchlaufen.

Diesel hat ein sehr starkes Branding, wie geht Foscarini damit um? Wie kommen die Mode- und die Designwelt letztlich zusammen?
Urbinati: Das ist eine gute Frage. Wir verkaufen in vielen Ländern und haben dabei beobachtet, dass die Reaktion auf die Kollektion nicht überall gleich ausfällt. In Ländern, in denen die Designkultur und das Interesse am Kauf von Design ausgeprägt ist, wurde die Diesel-Kollektion zögerlich aufgenommen. In anderen Ländern hingegen, in denen Design keine zentrale Rolle spielt, wurden die Diesel-Leuchten als das anerkannt, was sie sein sollten. Man hat dort keine speziellen Inhalte erwartet, die Reaktionen waren schneller und unmittelbarer. Auch innerhalb Europas gab es unterschiedliche Reaktionen, die uns doch überrascht haben. Was die Leuchten selbst betrifft: Der Bestseller der Diesel-Kollektion ist „Fork Terra“, eine Leuchte aus einer weichen Stoffform. Der Stoff ist wohl eine Art sichtbare Brücke zwischen unserer Welt und der von Diesel, die vom Stoff lebt.

Der Rhythmus in der Modewelt ist viel schneller als im Design. Wie müssen wir uns den Rhythmus der Diesel-Foscarini-Kollektion vorstellen?
Urbinati: Wir kaufen im Durchschnitt wahrscheinlich alle drei Monate ein Paar Jeans. Leuchten hingegen haben ein ganz anderes Verfallsdatum, sie sind für längere Zeitabschnitte konzipiert, deshalb braucht die Einführung neuer Modelle auch mehr Zeit. Nach wenigen Monaten ist es schwer zu sagen, ob ein Produkt den Erfolg hat, den wir erwartet haben. Auch ein Jahr ist wenig in der Designwelt. Die Zeitintervalle in der Mode hingegen sind ganz andere. Das ist eine der Schwierigkeiten und der Besonderheiten unserer Zusammenarbeit. Nach dem Launch vor zwei Jahren haben wir uns zusammengesetzt, um über die nachfolgende Kollektion nachzudenken. Diesel ist davon ausgegangen, die erste Kollektion sei abgeschlossen – so wie das bei Kleiderkollektionen nach der Markteinführung der Fall ist. Wir hingegen sind nach zwei Jahren immer noch dabei, die erste Kollektion auf dem Markt zu etablieren. Es geht nicht nur um ein Einzelstück, sondern um einen neuen Gedanken, der seinen Weg und seinen Raum erst finden muss.

Wie funktioniert der Vertrieb?
Urbinati: Die Diesel-Läden stellen viele Stücke der Kollektion aus, bieten sie jedoch nicht zum Kauf an. Ein paar Jeans zu verkaufen ist eben doch etwas ganz anderes als eine Leuchte – man muss verstehen, wie sie konstruiert ist, welche Art von Licht sie macht, wohin man sie stellen kann. Letztendlich werden die Leuchten über traditionelle Verkaufskanäle vertrieben, über Leuchtenspezialisten und Einrichtungshäuser, die den Käufern genau erklären können, was sie kaufen.

Es gab in letzter Zeit viele Modemarken, die Home-Kollektionen gelauncht haben. Inwiefern unterscheidet sich Ihre Kooperation davon?
Urbinati: Die Modemarken haben den Markt – mit wenig durchdachten Vorschlägen – etwas verunsichert. Die Händler waren deshalb am Anfang recht zögerlich. Das ist einer der Gründe, warum wir sehr darauf pochen, jedes Jahr mit Diesel in der Zona Tortona präsent zu sein. Wir wollen damit ein Statement für eine ernstzunehmende Kollektion abgeben. Schließlich werfen wir nicht irgendetwas auf den Markt und beobachten, was dann passiert. Das ist nicht unsere Art.

Letztes Jahr gab Diesel den Slogan „Be stupid“ in einer Image-Kampagne vor, dieses Jahr ist es der Spruch „Relics from the next future“. Inwiefern spielen diese Image-Sprüche für die Entwicklung der Leuchten eine Rolle?
Urbinati: Solche Fantasien haben keinen Einfluss auf die Produktion, auch wenn sie eine Welt um die Produkte schaffen, egal ob es Jeans oder Leuchten sind. Es ist eine Methode, Neugierde zu wecken. Ein wichtiger Punkt unserer Zusammenarbeit ist, dass das Design der Leuchten und die Slogans von Diesel selbst kommen.

Wäre das auch für Foscarini eine Option, eine Idee oder einen Slogan für eine Lebenshaltung zu entwickeln und auf die Marke zu übertragen?
Urbinati: Wir machen keine Mode, wir machen Produkte. Unser Markt ist viel langsamer, uns interessiert es, eine komplexe Atmosphäre mit Design zu schaffen, mithilfe der Technologie und mithilfe von Formen, die sich nicht anmerken lassen, wie kompliziert sie sind. Die Diesel-Konzepte gelten einem breiten Publikum. Wir hingegen haben dieses Publikum nicht. Unser Konzept läuft also auf einer ganz anderen Schiene – das sind zwei klar voneinander getrennte Bereiche.

Warum funktioniert der Weg nicht auch in die andere Richtung, vom Design zur Mode?
Urbinati: Dafür gibt es viele Gründe – der Markt ist der schwerwiegendste. Für Leuchten ist er viel kleiner als für Mode. Leuchtenunternehmen verzeichnen Umsätze, die nicht annähernd an Modefirmen herankommen. Der Umsatz von Diesel übersteigt den aller italienischer Leuchtenhersteller zusammen. Selbst wenn wir Luceplan, Artemide, Flos, Foscarini und alle anderen zusammenzählen, kommen wir nicht an den Umsatz von Diesel von 1,35 Milliarden Euro pro Jahr heran. Unser Problem ist, dass wir keinen direkten Kontakt mit den Endkäufern haben. Wir positionieren uns über bestimmte Berufsgruppen und Händler. Aber wir haben nicht die Mittel, den Endverbraucher anzusprechen. Diesel hingegen investiert alleine in die Werbung so viel, wie Flos, Artemide und die anderen Leuchtenlabel zusammen an Umsatz machen. Das ist also kein Vergleich. Nicht zufällig begann Diesel vor etwa fünfzehn Jahren, direkt in Monobrandstores zu verkaufen. Wenn eine Marke eine bestimmte Persönlichkeit entwickelt hat, ist dies notwendig. Im Lichtbereich hingegen gibt es zwar einige Showrooms, jedoch für Händler und nicht für den Direktverkauf. Das einzige Unternehmen, das in diesem Punkt ähnlich wie Diesel agiert ist Kartell – der Eigentümer kommt aus der Modebranche und es gibt eine kleine Kette an Monobrandstores.

Mit welchen Methoden kann der Markt dann erobert werden?
Urbinati: Diesel projiziert Visuals und Bilder, das ist für uns sehr interessant. Ich glaube dass Renzo Rosso in seiner Welt Erfolg hat – und diese Welt ist deutlich schwieriger zu erobern als unsere – weil er sehr klare Positionen eingenommen hat. Für alle, die unentschlossen sind, gibt es keinen Platz. Man muss eine eigene Persönlichkeit haben.

Auch Foscarini hat eine Persönlichkeit als Marke – wo sind die Unterschiede und Parallelen?
Urbinati: Unser Credo ist es, Projekte umzusetzen, von denen wir etwas halten. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir sicher sind, dass sie gut verkauft werden oder nicht. Wenn uns etwas gefällt, machen wir es trotzdem. Manchmal haben wir dabei Überraschungen erlebt. Sandro und ich, wir haben beide als Designer angefangen, und wir folgen auch weiterhin den interessanten Seiten eines Produkts.

Es gibt auch Unternehmen, die erst langwierige Marktforschungen machen, bevor sie entscheiden was sie entwickeln.
Urbinati: Ich weiß, das sind Mitläufer, sonst nichts. Wir hingegen machen weiter, probieren, probieren, und probieren noch mal. Dabei bleiben wir immer wir selbst.

Interview: Sandra Hofmeister

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Dr. Sandra Hofmeister

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80539 München

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